SwedenRock Festival - Sölvesborg - Samstag, 11.06.2022

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Samstag, 11.06.2022

TIAMAT (Sweden Stage)
Um die Dark Metaller wurde es in den letzten Jahren still, das aktuelle Album „The Scarred People“ erschien vor zehn Jahren. Ein Umstand, der viele Acts aus jener Generation ereilte, nur wenige Ausnahmen sind noch gut im Geschäft. Zwischendurch hatte Mastermind Johan Edlund sogar seine eigene Band verlassen, kehrte nach ein paar Wochen zurück. Dass der Schwede einst in Griechenland residierte ist bekannt, aber muss der einstige kajalbemalte Düsterfürst heute so auftreten? Mit Strohhut, hellgrünem Hawai-Hemd und Herzchen-Sonnenbrille könnte man ihn als Tourist an der Akropolis verorten, wenn statt einer Gitarre eine Kamera um seinen Hals hängen würde.

Seine Mitstreiter hatten sich ebenso vom alten Image entfernt, Bassist Gustav Hjelm und Drummer Lars Sköld outen sich als Fans der schwedischen Rocklegende Eddie Meduza. Lediglich Gitarrist Thomas Wyreson, der auch mal wieder an Bord ist hielt ganz in schwarz das Klischee am Leben. Hier stand das Drumkit ebenfalls in der Ecke, doch wenn man eine Koryphäe wie Per Wiberg an die Tasten holt, muss man den schon einigermaßen prominent positionieren.
So musste tatsächlich das Wetter mitspielen und ein wenig Atmosphäre erzeugen, in der Tat regnete es ein paar Tropfen, aber nicht mal bodenbedeckt. Mit Titeln des phänomenalen „Wildhoney“-Werkes bekommt man aber heute immer noch jede Szenerie finster gemalt und gleichzeitig das Publikum auf Temperatur, wobei ja allzu große Reaktionen dann auch wieder nicht so recht ins Bild passen.

Ein wenig hat das Eröffnungsdoppel von seiner Faszination verloren, was einfach an der Darbietung lag, die ähnlich relaxt war wie das Auftreten der Band. Die Intensität früherer Tage wurde nicht erreicht. Dazu hatte man später auch nicht die stärksten Titel der Gothic-Rock-Ära ausgepackt, viel vom nicht ganz so gelungenen „Prey“, dafür nichts von „Skeleton Skeletron“. Lediglich der Auszug des eklektischen „A Deeper Kind Of Slumber“ neben dessen obligatorischen Opener versprühte den alten Zauber, vielleicht weil er im Original auch eher entspannt rüber kommt.

So war es an dem Gastkeyboarder für Akzente zu sorgen, indem er die Synthesizerlinien der „Clouds“-Tracks mit schweren Orgelklängen fütterte. Der Kniff verlieh ihnen eine feine Siebzigernote, die neben den harschen Riffs die Köpfe in der Menge in Bewegung setzte. Nicht verwunderlich, dass der Crack an den Tasten auch das finale Epos prägte, mit dem sich TIAMAT versöhnlich verabschiedeten. Der große Entertainer war Edlund noch nie, doch wenn man schon etwas Sphärik rausnimmt, sollte man zumindest etwas den Bewegungsradius erhöhen.

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Setlist TIAMAT:
Whatever That Hurts
The Ar
Divided
Cold Seed
Wings Of Heaven
Phantasma De Luxe
Cain
In A Dream
Vote For Love
The Sleeping Beauty
Gaia

SORCERER (Rockklassiker Stage)
Wenn es mit der Dunkelheit nicht so recht klappen will, wie man möchte, sollte man sich dahin zurück ziehen, wo wenigstens ein bisschen davon herrscht, das war in dem Fall im Zelt. Auch hier leider wieder kein großes Gedränge, womöglich blieben zu viele auf dem Weg dorthin im Biergarten des Eingangsbereichs hängen und schauten sich das ganze entspannt von der Ferne an. Dabei war der doomigste Act des Festivals wahrlich nicht gemacht, um entspannt mitzuwippen.

Im Gegenteil wie Gitarrist Peter Hallgren bewies, der obwohl er den Gig im Sitzen absolvieren musste, sehr viel Einsatz zeigte. Die Geschichte der Epic Doomer liest sich eigentlich wie ein Märchen, was es so nur im Heavy Metal gibt. Wo in anderen Genres selbst Hitlieferanten schnell im Nirgendwo verschwinden, kommen da Demobands nach Jahrzehnten plötzlich zu Erfolg, einfach weil sie noch was zu sagen haben und mit jedem Album stärker werden.

Bereits das Intro „Persecution“ vom aktuellen Longplayer „Lamenting Of The Innocent“ gab den Weg vor, bevor es mit „The Hammer Of Witches“ richtig losging. Schwer schleppende Doom-Riffs luden zum gepflegten Slo-Mo-Banging ein. Die Truppe webte einen dichten Klangteppich, die Gitarren walzten alles nieder und nahmen dennoch ein. An der Seite von Hallgren ist mittlerweile mit Kristian Niemann ein erfahrener Sechssaiter, der schon mit Schlagzeuger Richard Evensand bei THERION spielte und brillante Leads zauberte. Die Stimmung die von dieser Mischung erzeugt wurde war weit und majestätisch, ohne dass die Härte zurück geschraubt worden wäre.

Gipfeln tat das im Gesang von Anders Engberg, der zwischen kraftvollem Metalgesang und getragenen Melodien alternierte. Gerade wenn er viel Melodie verströmte legte sich eine Erhabenheit über das Zelt, die „Epic Fist“ wollte unweigerlich nach oben. Auch weil er jede einzelne Silbe großartig zu phrasieren verstand und damit die Eindringlichkeit steigerte. Oft stiegen seine Nebenleute bei den Refrains mit ein, was weitere Räume öffnete. Der Frontmann war der Mittelpunkt der Show, welcher die Menge immer wieder anfeuerte und über eine massive Präsenz verfügte.

Damit brachte man Epen wie „The Dark Tower Of The Sorcerer“ oder „Sirens“ gewinnbringend an den Mann, weil sie Nacken wie auch die Seele triggern. Von allen drei Alben der letzten Jahre gab es Kostproben, alle selbstverständlich in epischer Länge. Vielleicht hätte man sich eines der Cover gewünscht, mit der SORCERER in jüngster Zeit überzeugen konnten, es ist ihnen aber hoch anzurechnen, dass sie auf eigenes Material setzten. Höhepunkt war sicher der Titeltrack des letzten Werkes, dessen Ende auch vom Publikum mitgesungen wurde. Mit dem selbstbetitelten Demo-Stück ging ein vielversprechender Gig zu Ende, der noch eine coole raue Note mit einbrachte.

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NESTOR (Sweden Stage)
Überall erzählten mir die Leute von der Band, wobei ich bislang noch nie etwas von denen gehört habe. Die Herren hätten vor Jahrzehnten eine Karriere in Gang bringen wollen, wurden aber wie viele vom damaligen Zeitgeist ausgebremst. Ähnlich wie bei den Holland-Proggern GLAXY derzeit erscheint nun das Debüt mit einiger Zeit Verspätung. Erinnert auch an deren gerade eben Landsleute von SORCERER, und immerhin spielten NESTOR ebenfalls schon auf dem KEEP IT TRUE. Jedenfalls waren die Schweden aus dem Häuschen und tatsächlich waren vor der drittgrößten Bühne mehr Menschen als bei den Gigs, die ich an dem Festival dort gesehen habe.

Zu sehen gab es erstmal viel, ein Sänger im Glitzerhemd und Federschmuck, die Oberbekleidung der Saitenfraktion fast durchsichtig, der Keyboarder als postmoderner Gardeoffizier und auch sonst lag überall der Duft von Glanz und Glitzer in der Luft. Klar, solche Musik kann nur im Land der Elche alles überdauern, sie war hier nie weg, was auch viele aktuelle Bands belegen. So tönte es logischerweise total nach Achtzigern, aber das eben derart überzeugend, dass man dem Hype vertrauen konnte. Kein Klischee wurde ausgelassen, kein Pose, keine textliche Plattitüde, völlig egal, denn das machte Spaß ohne Ende und ließ den ganzen Platz hüpfen. Die Hooklines so unverschämt eingängig, dass man beim zweiten Chorus bequem miteinsteigen konnte.

Doch NESTOR sind weit mehr als das, was etwas käsig wirkte, hat absolut Stil und Klasse. Die Riffs von Jonny Wemmenstedt ließen es schön krachen, seine Soli besaßen für auf Fun getrimmte Mucke ordentlich Feeling. Martin Johansson war an den Tasten zwar präsent, verwässerte den Sound nicht, klanglich war das sehr gut ausgewogen. Auch im Rhythmusbereich klang das sehr kompakt, ebenso bei mehrstimmigen Chören.
Vom Auftreten her wirkten die Herren sehr sicher und eingespielt, was nicht selbstverständlich ist, wenn man so lange aus dem Geschäft ist. Klar sah man es Frontmann Tobias Gustavsson an, dass er im Gegensatz zu seinen Kollegen in den letzten Jahrzehnten einige Bühnen bespielt hat. Wie er sich auf der Bühne bewegt, sein Jonglieren mit dem Mikroständer und seine in den Höhen kraftvolle Stimme, so etwas lernt man nicht über Nacht.

Fast das komplette „Kids In A Ghost Town“ wurde aufgeführt, schon beim Opener „On The Run“ waren alle Hände oben. Mit „Stone Cold Eyes“ fegte man die letzten Zweifel weg und lieferte eine rassige Rockshow mit viel Bewegung auf der Bühne und ein paar Pyros. Für die Ballade „Tomorrow“ hatte man weibliche Unterstützung, allerdings nicht von Samantha Fox wie auf Platte. Keine Ahnung wie es den Jungs gelang, die Eighties-Ikone noch einmal hinter das Mikrofon zu bewegen.
Sogar beim Songwriting waren die Traumfrauen jener Epoche präsent, „Perfect 10 (Eyes Like Demi Moore)“ handelt ebenso von Sharon Stone und anderen Jugendfantasien. Mit „Signed In Blood“ und „A Loosing Game“ wurden noch zwei neue Titel gespielt, was Hoffnung macht, dass es weitergeht und die Fans noch weitere Möglichkeiten haben, den perfekt in Szene gesetzten Rock live zu bejubeln.

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SOCIAL DISTORTION (Festival Stage)
War auf der Hauptbühne schon zwei Tage zuvor bei VOLBEAT lässiger Chic angesagt, so kamen jetzt die Altmeister der Coolness. Ohne viel Firlefanz einfach in Jeans und T-Shirt gepackt bestimmten Schiebermützen, Hüte und natürlich Sonnenbrillen das Geschehen, bis hin zu einem Keyboarder, den sie hinter der Backline geparkt hatten. Schlenderten die Dänen noch über die Bretter, so war bei Mike Ness und seinen Mannen der Bewegungsablauf maximal mit Schlurfen zu bezeichnen. Die Gitarren hingen ganz tief, die von Ness war mit einer Rose verziert.

Hier stand der Pate des Punk auf der Bühne, tätowiert bis über die Halskrause, der ständig wie unbeteiligt nach unten blickte, als würde ihn das gar nichts angehen. Ebenso schlicht wie die Bühne, auf der lediglich das Logo groß als Backdrop hing. Hier wurden nur die Riffs sprechen gelassen, die Ness und Jonny „Two Baggs“ Wickersham locker raushauten.
Soli wurden zwischen den beiden aufgeteilt oder gerne zweistimmig gespielt, dabei ließ man sich Zeit und zog sie nicht so straff durch wie den Rest vom Set. Der immer leicht tänzelnde Brent Harding legte gemeinsam mit Dave Hidalgo Jr. das rhythmische Fundament. Wenn dann die Stimmung der Songs danach verlangte, legten sich alle bei den Backgroundchören ins Zeug, vor allem beim großartigen „Machine Gun Blues“, die Maschine lief bestens geölt.

Vom bislang letzten Album wurden die meisten Nummern gespielt, wie auch vom selbstbetitelten Longplayer wie das unvermeidliche „Sick Boys“ oder „She´s A Knockout“ und dem Klassiker „White Light White Heat, White Trash“ mit „Don´t Drag Me Down“ und „Gotta Know The Rules“. Das ideale Programm für die Fans, von denen viele extra einen Tag zum SwedenRock gekommen waren.
Alleine optisch waren diese schon zu identifizieren, wie ihre Helden ist ihr Punk nicht mehr von Aggressivität geprägt, sondern von einer legeren Haltung. Für so viel Liebe wurde mit „Tonight“ ein neuer Song präsentiert, der für das überfällige Album angedacht ist. Und zum Ende gab es standesgemäß „Ring Of Fire“, ein bereits bei der diesjährigen Ausgabe intoniertes Cover eines Künstlers, der mit seiner Haltung nicht so weit entfernt war.

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NIGHT RANGER (Rock Stage)
Jedes Jahr gibt es am letzten Tag einen Gig, der dieses unglaublich friedliche Feeling des Festivals noch einmal verstärkt und das gesamte Gelände damit tränkt. In dem Jahr kam die Rolle den amerikanischen AOR-Giganten zu, eine Sparte die bei der Ausgabe etwas unterrepräsentiert war. Schon der Einstieg war nach Maß, so einen Hit sparen sich andere bis zum Schluss auf, doch an dem Tag waren sich die Fünf ihrer Sache absolut sicher. In der Tat lachte die Sonne auf die Bühne und von dort herunter, Kalifornien war plötzlich überall.

Was da eine Spielfreude herrschte war unbeschreiblich, das Grinsen war den Herren gar nicht mehr aus dem Gesicht zu bekommen. Was sich sofort auf das Publikum übertrug, welches seinerseits alles zurück gab was da an Power ausstrahlte. Jack Blades hampelte von einem Bein auf das andere, in dem Schritt oft den kompletten Rand des langen Stegs zum Auditorium hin entlang. Unbändig wie ein kleines Kind erfreute er sich an jedem Feedback.
Brad Gillis kam vor allem für seine fulminanten Soli nach vorne, kniete dabei stets etwas ab und ließ jeden spüren, dass er mit vollem Herzen dabei ist. Keri Kelli kümmerte sich dann um die Seiten weit draußen uns spulte die meisten Meter herunter. Selbst Kelly Keagy hinter der Schießbude hatte trotz des härtesten Jobs permanent beste Laune. Damit er das Treiben ebenso gut beobachten kann wie seine Kollegen hat auch er sein Kit seitlich gedreht und gab fast einen Frontmann ab.

So geschlossen man auftrat, sich oft ganz vorne zu dritt in Reihe positionierte, so war auch das tighte Zusammenspiel. Die mehrstimmigen Refrains saßen ebenso wie die knackigen Riffs, alles kam auf den Punkt, hochprofessionell. Beim Leadgesang war zumeist Blades zu finden, doch auch hier wechselte man gerne durch. Bei der Bandhymne versammelte sich die gesamte Truppe um Schlagzeug von Keagy und holzte mit zehn Sticks drauf herum, wie ein paar zu groß geratene Kinder. NIGHT RANGER gaben an dem Tag der Musik viel von dem Spaß und der Unschuld zurück, die verloren ging.

Da war es egal, was gespielt wurde, wobei wie zu erwarten die beiden ersten Scheiben den Löwenanteil im Set stellten. Leider wurde der Filmhit „Secret Of My Success“ weg gelassen, man entschied sich lieber für zwei Tunes aus der DAMN YNKEES-Historie des Bassisten und Sängers. Gerade die Megaballade kam bestens an und wurde lauthals mitgesungen, auch wenn man dem Titel entsprechend mit der Stimme hoch gehen musste. Nicht zu vergessen, die Stimmbänder der munter feiernden Fans hatten schon einiges wegstecken müssen.
Und dann natürlich die vom guten Kelly gesungene Pianoballade, mit der einst etwas unkonventionell „Midnight Madness“ begann. Das sind die Lieder, die alles vereinen, die ein Open Air zu einem Festival machen. Alles sprang und hüpfte, lag sich in den Armen, das gesamte Gelände sang mit, teilweise wurde die Band übertönt. Das sind einfach die Momente, die es festzuhalten gilt. Noch einmal Gas geben und zum Ausklang munter solieren, dann musste sie leider schon wieder ziehen lassen.

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Setlist NIGHT RANGER:
(You Can Still) Rock In America
Touch Of Madness
Four In The Morning
Sing Me Away
Coming Of Age
Breakout
Night Ranger
High Enough
When You Close Your Eyes
Sister Christian
Don´t Tell Me You Love Me

WALTER TROUT (Silja Stage)
In den letzten Jahren hat sich er Verfasser dieser Zeilen verstärkt mit dem Blues beschäftigt, WALTER TROUT war da eine der Künstler, bei denen ich mich fragte, warum ich die nicht schon Jahrzehnte früher entdeckt habe. Etwas schade, so einem begnadeten Musiker nur eine Stunde Spielzeit zu gewähren, aber da musste eben die Intensitätsschraube etwas angezogen werden. Der Eröffnungstrack seines Solodebüts „Tellin´Stories“ gab wie immer den Opener und der gute Walter hatte eine Menge zu erzählen, eine Menge aus dem Leben, eine Menge vom Staub der Straße, Staub der ihn geprägt hat.

Mehr Blues wie der Mann kann man nicht haben, er tat weit mehr als ihn nur zu spielen, er lebt ihn mit jeder Faser. Im Gegensatz zum Konzert im letzten Herbst hat er auch ein paar mehr Fasern am Körper zugelegt. Und mit jedem Gramm, dass auf seine Rippen kommt nach seinen schweren gesundheitlichen Problemen kommt die Kraft zurück. Die Kraft mit der er seine Songs heraus röhrte, die Kraft mit der er in die Saiten schlug, die Kraft mit der er auf der Bühne rumturnte. Trout ist eine Naturgewalt, die jeden mitnimmt in seine musikalische Welt.

Dabei besitzt er ein unglaubliches Feeling, welches tatsächlich nicht durch die Power seines Auftretens beeinträchtigt wurde. Seine Hände berührten die Saiten sanft, wenn es von Nöten war, glitten immer leicht darüber, auch wenn der Anschlag hart durch die PA blies. Bei Bluesmusikern ist ja üblich jeden Ton mitzuleben, doch niemand tut dies so exaltiert wie dieses Urgestein.
Er hampelte herum, schüttelte seinen ganzen Körper, seine Hände gestikulierten wild, wenn er zu Rhythmusbegleitung sang. Den Stratocaster wirbelte er umher, riss ihn immer wieder hoch, wenn er dessen Saiten weit dehnte. Die Verkörperung des Blues, dem man die Geschichten abnimmt, von denen er singt, speziell wenn es um seine lebensbedrohliche Erkrankung ging. Und wenn es dann sentimental wurde, sang die Gitarre in den wärmsten Tönen.

Da hatten seine Mitmusiker Mühe Schritt zu halten, die bis auf Schlagwerker Michael Leisure die Selben waren wie im Herbst, Juan Van Emerloot ist derzeit mit SNOWY WHITE im Studio. Doch er machte ebenso viel Dampf, was man tun muss, wenn man mit dem guten Walter die Bühne teilt. Johnny Griparic tänzelte um seinen Bandleader umher, wie immer lässig mit Truckermütze und Fliegersonnenbrille.
Wenn noch mehr Feuer im Kessel benötigt wurde sprang Andrew Elk mit auf die Bühne und brachte eine zweite Gitarre und Singstimme an den Start. Rau war der Gesang, doch dies war eben kein Hochglanzblues, wie ihn JOE BONAMASSA oder ANA POPOVIC bieten, rau und unverstellt ging es zu Werke, absolut grundehrlich, und dennoch mit musikalischer Finesse. Das kam auch beim Publikum an, welches munter mitging, wenn es nicht gerade wieder mit Szenenapplaus beschäftigt war, den sich das Ensemble im Akkord verdiente.
Liebster Partner auf der Bühne war Tastenmann Bob Frizdema, mit dem sich WALTER TROUT atemberaubende Duelle lieferte. Beim Spiel legte jener eine ebensolche Energie an den Tag, riss immer wieder die Arme hoch, wandte sich ebenso dem Publikum zu. Die beiden beobachteten ständig was der andere tat, die Kommunikation mündete in einer gemeinsamen Euphorie.

Blues hat noch selten so viel Spaß gemacht, dabei so berührt, so dass man nach einer Stunde mit allen Sinnen mitgenommen war. Im Zentrum standen wie auch bei der Tour natürlich seine jüngsten Werke, wobei hier von „Ordinary Madness“ nur ein Stück kam. Bei allen anderen Gigs wurde „All Out Of Tears“ gespielt, an dem Abend durch ein Lied es selten berücksichtigten „Prisoner Of A Dream“ ersetzt. Doch angesichts einiger persönlicher Tragödien in der Zeit um das Festival herum vielleicht die bessere Idee. Denn ich hätte sicher ein paar Tränchen beizusteuern gehabt, so verließ ich eher glücklich den Ort des Geschehens.

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Setlist WALTER TROUT:
I Can Tell
Walking I The Rain
Wanna Dance
Say Goodbye To The Blues
Almost Gone
Playin´ Hideaway
We´re All In This Together
Red Sun

WITHIN TEMPTATION (Rock Stage)
Im Prinzip gibt es nur zwei relevante Symphonic Metalacts, beide waren in dem Jahr beim SwedenRock zugegen. Wo die Finnen noch mitten in die Nacht platziert wurden, erwischten die Niederländer den besten Slot al Headliner der zweitgrößten Bühne. Wie schon bei ihrem letzten Gastspiel erwies sich die lange Pause auf jener nach NIGHT RANGER als Segen, denn so konnte die komplette Produktion aufgefahren werden.
So ein riesiger Kopf, der auch mal auseinander gefahren werden konnte oder leuchtete, machte was her. Dahinter ein Backdrop mit mehreren Videoinstallationen gleichzeitig, die vom Band eingespielte Gastsänger zumindest visuell sichtbar machte. Besagter Kopf teilte die Rampen in zwei Teile, so dass der Schlagzeuger wie öfter an dem Wochenende wieder in der Ecke saß. Und in Sachen Pyroshow stand der Sechser NIGHTWISH kaum in etwas nach.

Dabei bräuchte man den riesigen technischen Aufwand nicht, denn mit Sharon Den Adel hat man eine Frontfrau, welche die Show alleine zu führen in der Lage ist. Selbst wenn man sich auf optische Reize konzentriert, die vielfältig waren bei dem Bühnenaufbau, weiß sie auch dort heraus zu stechen. Im Goldschuppen-Bustier, vorne sehr kurzem Rock und auffälligen Haarreif war die Dame wieder heiß gestylt, nur ihre Präsenz würde da schon ausreichen.
Nur gibt sie sich selbst nicht damit zufrieden, turnt mit bester Laune über die Bretter, ist überall zu finden, bei ihren Kollegen, sowie an den äußeren und vorderen Rändern der Bühne. Dabei immer auf Kontakt bedacht, und mit viel Freude am lautstarken Jubel der ihr entgegen brandete. Kein Wunder, über all dem Temperament und der Anstrengung vergaß sie nie ihren Gesangsbeitrag, der bis in schwindelerregende Höhen sauber und kräftig rüber kam.

Da standen die Herren schon etwas im Schatten, auch weil bei ihr alles so spielerisch leicht wirkte. Jeroen Van Veen war an den vier Saiten der Ruhepol, während sich vor allem der schwedische Gitarrist Stefan Hellebald die Hacken wund lief. Einmal überließ ihm die gute Sharon das Mikrofon, damit er eine umjubelte Ansage in Landessprache tätigen konnte. Hier war einer Formation anzusehen, wie sehr sie die Liveatmosphäre vermisst hat, das Lächeln in jedem Gesicht, diese Spielfreude, fast wie bei NIGHT RANGER an gleicher Stätte zuvor.

Dabei fraß WITHIN TEMPTATION das Publikum aus der Hand, kein Wunder, wenn man mit drei solchen Hits eröffnet. Erst an vierter Stelle kam ein Auszug aus dem umstrittenen „Resist“-Longplayer, von welchem aber nicht übermäßig viele Nummern gebracht wurden. Dafür musste leider der ein oder andere Fanliebling wie „Iron“ weichen. Bei aller Euphorie war nicht zu verhehlen, dass in der Mitte die Spannung etwas nach ließ.
Alle drei zuletzt veröffentlichten Singles ins Programm zu nehmen war nicht die beste Idee, so dass sich das Feuer vor der Bühne ein wenig abkühlte. Was kein Wunder ist, muss man doch mehr zuhören, anstatt sattsam Bekanntes abzufeiern. Manch noch moderneres Riff benötigt eine gewisse Eingewöhnungsphase. Hier wäre eine bessere Durchmischung sinnvoll gewesen, zumal Leute wie ich die Non-Album-Tracks gar nicht kennen.

Auf der Zielgeraden herrschte dann wieder Überschwang, der erste der Klassiker von „Mother Earth“ sorgte für anständigen Hüpfalarm, für das „OhOh“ wurden nach vier Tagen die letzten Kräfte mobilisiert. Sharon Den Adel musste ebenso alles aus ihren Stimmbändern rausholen und setzte den bisherigen Höhen noch einen drauf. So wie ihre Melodien wogten, wogten auch die Hände im Publikum, da sprühten die Funken, dass das Feuerwerk Mühe hatte hinterher zu kommen. Im direkten Vergleich mit der Konkurrenz hatten die Holländer klar die Nase vorne, weil sie deutlich zugänglicher agierten.

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Foto mit freundlicher Genehmigung von Anna Karlsson

Setlist WITHIN TEMPTATION:
One Solemn Hour
Faster
Paradise (What About Us?)
The Reckoning
In The Middle Of The Night
Stand Your Ground
Entertain You
Shed My Skin
What Have You Done
We Run
The Purge
Raise Your Banner
Supernova
Ice Queen
Stairway To The Skies
Mother Earth

GUNS ´N´ ROSES (Festival Stage)
Alles war angerichtet, der große Headliner zum endgültigen Abschluss konnte kommen. Viele haben lange darauf gewartet, einige ihr ganzes Leben. Eine der Rocklegenden schlechthin, die einstmals gefährlichste Band wollte zeigen, was sie heutzutage noch drauf hat. Eines hat sich auf jeden Fall nicht geändert: Wenn ich gewusst hätte wie spät sie wieder auf die Bretter steigen, hätte meine Wenigkeit den Rest des Symphonic Bombasts auf der gegenüberliegenden Bühne aus der Nähe angeschaut. Auch eine viertel Stunde später hätte ich meine Freunde noch gefunden bei so viel Anlauf. Fotografieren war ohnehin nicht drin, die Starallüren wurden voll ausgekostet.

Es ging gut los, zwei Songs des sagenumwobenen Debüts „Apettite For Destruction“ waren zweimal gelebte Musikgeschichte. So auf Distanz gesehen war das allerdings eher Masse statt Klasse, denn vor allem der Gesang von Axl Rose hatte in den letzten Jahren doch sehr gelitten. Es hatte nur noch Mühe die hohen Töne zu treffen, was nicht immer gelang. Die Emotionalität, welche sein Organ früher transportierte war völlig abhandengekommen. Dazu hatte er textlich so einige Hänger, dass man sich fragte, wer nun falsch lag.
Von der einst ruhmreichen Band fehlte auch das ein oder andere, die Produktionen in den Neunzigern waren doch größer. Wo waren die Riser rund um das Schlagzeug, auf der früher viele Begleitmusiker Platz fanden. Auch das Piano des Sängers musste reingeschoben werden und stand nicht die ganze Zeit oben. Schlagzeuger Frank Ferrer stand auf eher niedrigerer Ebene als Matt Sorum, fand trotz der Nähe irgendwie nicht den Draht zu seinen Bandkollegen herzustellen.

Natürlich sind die beiden alten Recken Slash und Duff McKagan immer Fixpunkte und große Musiker. Dem Gitarrenheld passte der Zylinder immer noch wie angegossen, sein Spiel von Feeling geprägt, großartig anzuschauen, daher oft auf der Leinwand für alle überlebensgroß zu sehen. Magisch glitten seine Finger über das Griffbrett, während er sich in die lässigsten Posen warf, dabei gerne lässig über den Monitorboxen hing.
McKagan sammelte gleich Sympathiepunkte, als er mit Schweden-Trikot auflief, nicht nur bei ihm sollte die Garderobe öfter wechseln. Der drahtige Schlacks ist heute sowas wie die Eminenz des Punk, stets aufrecht und mit Haltung, mit welcher er über die Bühne schlurfte. Richard Fortus war da agiler, sprang gerne umher und ließ seine Arme eine Windmühle nach der anderen drehen. Warum da zwei Keyboarder saßen, konnte keiner so recht erklären, von Melissa Reese blieb nur je eine blonde und blaue Seite der Haarpracht im Gedächtnis.

Nur ein Indiz für das mangelnde Bandgefüge, vielmehr stand da oben eine Zusammenstellung von Solokünstlern. Nur selten gab es gemeinsame Kommunikation oder Interaktion. Fast schien es die seitlichen Absperrung zu den Rändern der Bühne wären dazu da, dass man sich nicht vollständig aus dem Weg gehen konnte. Augenblicke wie in der Zugabe als sich die Drei an den Saiten mit Klampfen auf dem Drumriser niederließen waren rar gesät. Dabei baute man Versatzstücke aus „Only Women Bleed“ von ALICE COOPER ein, andere Nummern wurden komplett gecovert. Fehlen durfte dabei auf keinen Fall eine Reminiszenz an das Gastspiel des Frontmanns bei AC/DC.

Was am Ende die ganze Sache in die Länge zog, vor allem weil in der ersten Hälfte viele Titel auf dem Plan standen, bei denen sich die Musiker fragten, ob sie das überhaupt schon aufgenommen hätte. Auf Material von „Chinese Democrazy“ wurde ebenso wenig verzichtet wie von Projekten der Marke VELVET REVOLVER. Viele Zuschauer begannen sich zu fragen, wie man die ganzen Klassiker noch in der Zeit unterbringen wollte. Es kamen alle, auch die an die man gar nicht mehr gedacht und welche, die niemand auf der Rechnung hatte. Am Ende sollte der übliche gewaltige Schlusspunkt mehr als eine Stunde später gesetzt werden als ursprünglich geplant.

Es sollte klar gesagt werden, dass aufgrund von vier Tagen Festival, das den Menschen in den Knochen steckte ein Drittel obsolet war. Das nahm der Show immer wieder Schwung, ließ die Zuschauer manchmal ratlos dreinblicken. Am Ende wurde es noch die große Party, jeder mobilisierte die allerletzten Reserven, vielfach half nur noch Wick Blau. Eine Reihe Hymne für die Ewigkeit wurde abgefeiert, Axl Rose konnte sich infantile Späße erlauben, das versöhnte für vieles. Am Ende bleibt aber die Erkenntnis, dass man nicht annähernd an die Leistungen dran kommt wie ich sie in meiner Sturm – und Drang-Zeit erlebt habe.

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Foto von Tim McWilliams

Setlist GUNS ´N´ ROSES:
It´s So Easy
Mr. Brownstone
Chinese Democrazy
Slither
Welcome To The Jungle
Better
Double Talkin´ Jive
Reckless Life
Live And Let Die
Back In Black
Shadow Of Your Love
Estranged
Rocket Queen
You Could Be Mine
I Wanna Be Your Dog
Absurd
Hard Skool
Civil War
 -Gitarrensolo-
Sweet Child O´Mine
November Rain
Knockin´ On Heaven´s Door
You´re Crazy
Nighttrain
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Coma
Patience
Wichita Lineman
The Seeker
Paradise City