SWEDENROCK - Sölvesborg - Freitag, 07.06.2024
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Freitag, 07.06.2024
NESTOR (Festival Stage)
Vor zwei Jahren begann der kometenhafte Aufstieg der Hair Metaller, was nicht zuletzt mit ihrem Auftritt auf der Sweden Stage zusammen hing. Meine Person wusste bis dato gar nichts von deren Existenz schaute sie mir aber nach viel Vorschusslorbeeren mal an und war positiv überrascht, selten hat eine Band den Spirit der Achtziger so authentisch transportiert. In der Folge wurde ihr mit dreißig Jahren Verspätung veröffentlichtes Debüt noch einmal neu aufgelegt und die Band für viele Festivals, u.a. Wacken gebucht. Nun wurde mit „Teenage Rebel“ ein zweites Album nachgeschoben und der Fünfer umgehend auf die größte Bühne gehievt.
So ganz trautem sie dem Braten neues Album noch nicht, weswegen das Set zum Großteil aus den Nummern bestand wie beim letzten Stelldichein in Sölvesborg. Einige Stücke wie gleich der Opener feierten an dem Tag ihr Livedebüt und deuteten ihre Klasse an. Als an zweiter Stelle der Titeltrack des Erstlings gebracht wurde stieg das Barometer noch einmal. So viele Menschen versammelten sich bisher nur selten um diese Tageszeit vor der größten Bühne, aber die Schweden feierten ihre Helden. Dabei haben sie in dem Metier mehr als genug gute Bands, irgendwie war diese Musikrichtung im Land der Elche nie totzukriegen.
Und die wurde mit allem gefeiert was dazu gehört, Fönfrisuren, schrille Outfits und wie im Fall von Bassist Marcus Åblad auch noch Schnauzbart. Ohnehin war sein an ein fransiges Sabberlätzchen erinnerndes Lederhalsband auf nacktem Oberkörper schon reichlich schräg. Ich mein diese Offiziersjäckchen aus dem 18. Jahrhundert von Sänger Tobias Gustavsson hatte ja schon ihr Landsmann Yngwie Malmsteen popularisiert. Mit viel Goldbrokat umrandet passte der breitkrempige Hut von Keyboarder Marton Frejinger bestens ins Bild. Und bei Jonny Wemmenstedt stand das bunte Hemd bis fast unter die Gitarre offen.
In Sachen Posen wurde ebenfalls keinen Deut von den Vorgaben abgewichen, so bearbeitete der gute Jonny seine Gitarre in allen möglichen Lagen und war viel in Bewegung. Das Rücken an Rücken-Stehen wurde ebenso des Öfteren zelebriert, das in verschiedener Zusammensetzung. Das zeigte auch das gute Bandgefüge, immer wieder warfen sich die alten Freunde Blicke zu, in denen sie sich auf das nächste Gimmick abstimmten. Der Mikroständer von Gustavsson wurde für alles Mögliche genutzt, im Zweifelsfall, damit sich der Frontmann an ihm aus einer tiefen Haltung hochziehen konnte.
Darüber hinaus wurde alle bemüht, womit sich Show machen lassen konnte, da es für Lightshow zu hell war, mussten es Flammensäulen richten. Bei der ersten Single vom neuen Album stürmten als Intro die Black Diamonds, die Cheerleader des heimischen Sportclubs, der Fjälköping Rebels auf die Bühne und fuhren ihr Programm neben Backingchören auf, beim letzten Song durften sie ebenfalls nochmal ran.
Das war so herrliches Entertainment, dass es jedem ein Lachen ins Gesicht zauberte, immer mit einem Augenzwinkern. Die Fans feierten den Gig nach allen Regeln der Kunst ab, mal sehen was da noch kommen wird. Zumal das Ganze musikalisch sehr gekonnt rüber gebracht wurde, gerade der gute Tobi war hervorragend bei Stimme und Wemmenstedt haute ein starkes Solo nach dem anderen raus.
Setlist NESTOR:
We Come Alive
Kids In A Ghost Town
Stone Cold Eyes
Teenage Rebels
Perfect 10 (Eyes Like Demi Moore)
Signed In Blood
Victorious
It Ain´t Me
Caroline
Firesign
On The Run
1989
CARCASS (Sweden Stage)
Dann hinüber zu einer Band, die ebenfalls eine lange Pause einlegte, teilweise auch dem Gesundheitszustand von Schlagzeuger Ken Owen geschuldet, jedoch auch weil man sich stilistisch nicht mehr sicher war. Seit geraumer Zeit sind die Engländer zurück, wenn auch mit gemäßigten Tempo. Sicherlich Veteranen und Impulsgeber der tödlichen Szene müssen sie sich heute nicht mehr beweisen und haben lieber Spaß bei der Sache.
Der war den beiden Urgesteinen die ganze Zeit anzusehen, Jeff Walker ist der gute Onkel des Todesblei und ruhte da vorne in der Mitte ganz in sich, obwohl er garstige Töne rausröchelte. Dabei guckte er eher freundlich in die Menge und freute sich darüber, dass hier so viele Haare durch die Luft flogen und auch mal ein Mensch hinterher. Und wenn es mal mit der Begeisterung stockte pumpte seine Faust in die Höhe und trieb die Fans an.
Dabei hatte er seinen Bass immer auf seinen Oberschenkel gestemmt, von wo aus er zur wuchtigen Pose hochgerissen werden konnte. Bei seinen Ausflügen wanderte auch gerne mal ein Plektrum in die Menge, so dass er einfach mit den Fingern weiterspielte – ging bei dem Tempo aus. Dabei setzte es nicht nur den Vollsprint der alten Hämmer wie „Incarnated Solvent Abuse“ oder „Exhume To Consume“, sondern auch den meterdicken Groove von „Heartwork“-Zeiten mit Nummern vom Schlage „Buried Dreams“. Auf den letzten Alben setzte man sich in etwa dazwischen, manifestierte beispielsweise mit „Kelly´s Meet Emporium“ die eigene Handschrift.
Seinen alten Mitstreiter Bill Steer hätte man im Gegensatz zu dessen Gitarrenpartner Nippy Blackford optisch kaum in einer Death Metalband verortet. Gab genug Retro und Stoner Rocker in der Woche, wo er nicht aufgefallen wäre, hier aber sorgte er wie gewohnt für den Farbtupfer. Eine Augenweide dem tänzelnden Hippie zuzusehen wie er die derbsten Attacken runterschrubbte, der mit einer Leichtigkeit so brutal und präzise zockte. Vielfalt ist eben doch Trumpf, und der Mann ein vielseitiger Musiker, der solo völlig anders gelagert ist. An dem Tag packte er die Keulte aus, die von Daniel Wilding hinter der Schießbude massiv voran getrieben wurde.
Da hatten die Anhänger ihren Spaß und feierten die Urväter nach allen Regeln der Kunst ab. Ob Fan der alten Zeiten oder Neueinsteiger in die Materie, jeder kam auf seine Kosten. Von so viel Ehrerbietung angetan knieten sich die beiden alten Haudegen hin und signierten eine auf die Bühne geworfene Kutte, und noch ein, und noch eine. Irgendwann wurde es ein witziges Spiel, den Securitymitarbeitern die Jacken zu geben welche sie zur Bühne brachten, wo alles artig unterzeichnet wurde, auch Handyhüllen und sonstiges Zeug. Brüste wurden aus anatomischen Gründen keine hochgereicht, obwohl das zu CARCASS thematisch gut gepasst hätte.
KEBNEKAJSE (Pistonhead Stage)
Neben der Musikszene dürften sich meine Kenntnisse über Geographie als die umfangreichsten darstellen. Den höchsten Berg von Schweden hätte ich jedoch nicht benennen können, der ist aber auch kaum höher als 2.000 Meter. Von dem Kebnekaise leitet sich der Name einer der altehrwürdigen Formationen der einheimischen Musikszene ab, neben KAIPA sicher die Proginstitution in den Siebzigern. Wie die Kollegen waren auch die Herren lange weg und kamen 2001 wieder zusammen, um ungefähr zehn Jahre später noch ein paar Alben aufzunehmen.
Weitere zehn Jahre später stehen sie im gut gefüllten Zelt, um ihre Legende auf dem großen Festival ihrer Heimat noch einmal aufleben zu lassen. Kein Wunder, dass Jubel aufbrandete als die betagten Musiker die Bühne betraten. Zur großen Überraschung hingen sie nicht ihrer Vergangenheit nach, sondern bedienten sich vor allem den jüngeren Alben speziell dem selbstbetitelten wie gleich beim Opener „Leksands Skänklåt“. Interessanter weise wurde das Debüt „Resa Mot Okänt Mål“ ja von „Kebnekajse II“ und „III“ gefolgt, jenes Langeisen folgte vierzig Jahre später.
Bühnenaction durfte man nicht erwarten, zumal die Lieder fast komplett instrumental dargeboten wurden und gerade Bassist Göran Lagerberg mit seinen 76 Lenzen schon etwas gebrechlich wirkte. Zumindest wenn man auf seine Körperhaltung schaute, denn wie die Finger seine dominanten Bassfiguren drückten war großes Kino. Mit der ganzen Erfahrungen spielten sie natürlich sehr sicher und konzentriert, versanken zumeist in ihren verträumten Kompositionen wie dem Klassiker „Horgalåten“. Das Spiel mit der Dynamik beherrschten sie sehr gut, brachten diese jedoch nicht gänzlich zum Ausbruch.
Vieles erinnerte an WISHBONE ASH, zumal die Leads auch mal zweistimmig gebracht wurden. Meist steuerte Mats Glenngård die Riffs bei und Steve Howe-lookalike Kenny Hakånsson eher die feinen atmosphärischen Fills. Bei einigen Nummer wie „Vallåt Efter Britta Jansson“ packte Mats auf der linken Seite die Geige aus und betonte die folkloristische Seite der Formation. Mit anderer Instrumentierung zogen sie ihre Herangehensweise die Motive ineinander fließen zu lassen weiter durch und schufen wunderbare Landschaften wie im Backdrop, das den namensgebenden Hügel zeigte.
CANNED HEAT (Sweden Stage)
Sogar noch älter als die Schweden war die US-amerikanische Legende, die tatsächlich schon in Woodstock, der Mutter aller Festivals auftraten. Warum die sich allerdings zuvor daran störten, dass CARCASS für Autogramme die Bühne belagerten ist eher unverständlich. Ihr Setting füllt nicht mal die halbe Bühne aus, so dass für die beiden Fan-nahen Mucker genug Platz gewesen wäre. Viel brauchten sie ohnehin nicht, ein paar Verstärker, eine kleine Drumfiguration und ab dafür.
Es ging gleich richtig in die Vollen, mit „On The Road Again“ kam gleich einer der absoluten Klassiker vorneweg. Dale Spalding blies wie bei vielen Nummern die Mundharmonika, Jimmy Vivino brachte seine hohe Stimme ein.
Mit ihm will es die Boogie-Truppe noch einmal wissen, brachten nach zwanzig kürzlich ihr „Finyl Vinyl“ heraus. Neben ihm stand Bassist Rick Reed ebenso mit Rauschebart wie er, man kam sich ein bisschen wie bei ZZ TOP vor. Spalding war weiter vorne zu finden, sein Gesang und Harmonikaspiel hielten ihn aber sehr auf der Position. Für ein paar Titel schnallte er sich den Sechssaiter um, speziell wenn es rockiger wurde, wo sein raueres Timbre gefragt war. Mit seinen fast achtzig sorgte Urgestein Fito De La Parra für den nötigen Groove, setzte seine Schläge mit feiner Dosierung und wurde von seinen Mitmusikern öfter als Motor der Band gelobt.
So gesetzt der Vierer auch wirkte, der Sound erzeugte mächtig Druck, vor allem wenn der Boogie-Rhythmus ins Rollen kam. Wobei man mit drei Stücken das Wort vielleicht zu oft im Songtitel hatte, den „Woodstock Boogie“ am Ende zog man dann auf eine gute viertel Stunde. Dass das Zusammenspiel so gut klappte lag auch daran, dass man einige neue Stücke ins Set mit aufnahm, da saß jeder Ton, sie spielten ihre Erfahrung voll aus, und wussten den Solotönen viele Nuancen abzuringen. Das kam bei den Zuschauern an, die sich auf den lässigen Aufgalopp eingestellt hatten und mit wirklich coolem ursprünglichen Rockfeling belohnt wurden.
Mittels „Going Up The Country“, dem zweiten Hit mit folkigem Touch hatte CANNED HEAT endgültig gewonnen und wurde abgefeiert. Nicht nur von den Fans, auch unter den Securitymitarbeitern sah man viele, die mitsangen und wippten. Seien wir ehrlich das Publikum bei so einer Kapelle ist nun wahrlich keines, dass die Sicherheitskräfte vor Probleme stellen sollte. Also ließ jeder der Party freien Lauf, die dann im vereinenden „Let´s Work Together“ gipfelte, wo wirklich jeder mithüpfte. Eine wahre Legende hat uns einen Hauch davon verbreitet, wie es wohl damals gewesen sein könnte, wenn es nur überall so friedlich wäre.
EVANESCENCE (Festival Stage)
Vom ganz klassischen Rock hinüber quer über das Feld zu einer sehr modernen Variante, die sich in den letzten Jahren vermehrt im Programm des SwedenRock findet. Irgendwo ein One-Hit-Wonder hat sich Amy Lee und ihre Band über die Jahre gehalten und den hohen Slot verdient, der ein großes Publikum lockte. Mit „Better Without You“, einem von mehreren Tracks vom letzten Album „The Bitter Truth“ legte die Truppe kraftvoll los.
Ihr alternativer Rock schob nach vorne, die beiden Gitarristen Tim McCord und Troy McLawhorn posten breitbeinig und empfahlen sich als bestens eingestimmtes Gitarrenduo, welches sich die Soli redlich teilte. Nicht unbedingt mit dem vollen Körpereinsatz, dafür aber mit einigen Metern auf der großen Bühne unterwegs, zogen sie ihre Präsenz aus den tief gestimmten Riffs aus stolz geschwellter Brust.
Mit Emma Anzai stand nach der deutschen Jen Majura erneut ein weiteres weibliches Mitglied neben der Frontfrau in den Reihen. Neben ihrem Bassspiel unterstützte sie diese bei einigen Chören. Wobei die Hilfe gar nicht nötig hatte, denn nach wie vor verfügt sie über eines der kräftigsten Organe in dem Business. Ganz in enges schwarz gehüllt, was ihre weibliche wie auch dunkle Seite unterstrich, gab sie ohne Zweifel den Blickfang, auch weil sie es verstand, jene auf sich zu ziehen. Selbst mit geschlossenen Augen wäre die gute Amy klar als Mittelpunkt auszumachen gewesen, wie sie ihre Kompositionen mitlebte, war bewegend.
Obendrein all die Facetten ihres Ausdrucks, von kraftvollen Refrains über feine Melodien bis zu sanften Gesäusel hatte sie die komplette Palette drauf. Dabei wand sie sich, warf sich in jeden Ton, oder hob das Mikro hoch über den Kopf. Als ob das nicht reichen würde, bediente sie auch die Synthesizer, die vorne am Bühnenrand aufgebaut waren, während hinter der Band viele Lichtaufbauten installiert wurden.
Trotz der Unterstützung für ihre Mitmusiker schien es, als ob ein paar elektronische Parts vom Band kommen würden. Als dann ein Flügel herein gerollt wurde, dachte jeder, dass die Megaballade komme, doch Lieder vom Schlage „The Change“ und „Wasted On You“ wurden ebenfalls mit den Tönen aufgewertet. Gar nicht so sehr im Fokus stand das Debüt „Fallen“, die meisten Titel kamen vom jüngsten Werk wie „Use My Voice“, vor welchem Lee eine starke Empowerment-Ansage machte.
Später wurde es noch einmal Zeit für das große Piano, und dieses Mal bekam Sölvesborg wonach es verlangte. War die Stimmung bis dahin schon gut, drehten die Fans vollends durch. Aus Tausend Kehlen mitgesungen, dass selbst das Stimmwunder kaum mehr zu hören war, brach „My Immortal“ sämtliche Dämme. Menschen lagen sich weinend in den Armen, viele musste noch nach dem Konzert getröstet werden. Der Verfasser dieser Zeilen versteht so etwas zu gut, von Musik dermaßen bewegt zu werden ist eine Gabe, die leider zu wenige haben. Mit „Bring My Back To Life“ ging es nicht minder feucht, dafür noch euphorischer zu Ende.
Foto von Rainer Petry
JUDAS PRIEST (Festival Stage)
Recht früh stoppte das Band vom wie immer von allen mitgesungenen "War Pigs"-Intro, was zuerst verwunderte. Auf der Bühne hing eine riesige Fahne mit einem Textauszug des Titeltracks vom neuen Album. Doch es war schon soweit, die Ecken des Banners fielen und dann wurde es unter die Decke zu dem massiven Kreuz gezogen, das oben unterm Dach hing. Die Band war bereits auf dem Drumriser und legte unmittelbar los, "Friday Night in Sölvesborg, Sweden and the Priest is back". Da waren sie, die messerschärfsten Gitarren der Szene, welche sich durch alles schnitten, was sich ihnen in den Weg stellte.
Zwar ist keiner mehr des vielleicht besten Gitarrenduos aller Zeiten mehr an Bord, doch ihr Landsmann und Produzent Andy Sneap sowie der US-Amerikaner Ritchie Faulkner setzten die Vorgaben ihrer legendären Vorgänger sehr exakt um. Ja sogar bei der Coverversion von FLEETWOOD MAC, die mittlerweile komplett in ihrem Kanon aufgegangen ist, und an dem Abend bejubelt werden konnte. Dieser Sound, der neben dem Leder - und Nietenoutfit den Heavy Metal definiert hat, legte sich meterdick über die Bucht und brachte sofort die Zuschauer in Wallung.
Der jüngere der beiden Saitenartisten war sofort ganz vorne an der Rampe zu finden, wo er jeden in den ersten Reihen einzeln taxierte. Sein Spiel war spektakulär anzuschauen, er unterlegte seine Fingerübungen mit vielen Gesten und strapazierte seine Knie bis auf das Äußerste, wenn er tief in Stellung ging. Cool und gleichzeitig erhaben fielen seine Posen aus, er geht voll in der Rolle als Führungskraft der Band auf.
Wobei sein Partner sich ebenfalls immer aktiver integriert, mehr Meter macht als zu Beginn seines Engagements und den Kontakt zu den Fans suchte. Musikalisch macht sich das dahingehend bemerkbar, dass ihm einige Soli zugestanden wurden, bei denen er seine Klasse unter Beweis stellen konnte, wo er sonst eher hinter den Reglern bekannt ist. Zu den Ingredienzien ihres Maßstäbe setzenden Gebräus gehören aber auch die vier Saiten, wobei deren Bediener sich gewohnt gerne im Hintergrund hielt.
Immer wieder stachelten seine Kollegen Ian Hill an, etwas mehr nach vorne zu kommen, wo er von den Fans gefordert wurde. Nicht nur im ersten Beitrag vom "Screaming For Vengeance", der Mutter aller pumpenden Bässe gab er stets das Rückgrat einer Band, die von ihm mitbegründet wurde. Ohne Unterlass schwang er sein Langholz in typischer Manier hin und her und setzte unprätentiös Akzente, um das Klanggebäude zu untermauern.
Chef im Ring war natürlich der Metal God himself, der Integrationsfigur schlechthin. Sein langer Bart verlieh ihm etwas Väterliches, fast wie der Nikolaus der stählernen Szene, immerhin hat er mehr als ein Weihnachtsalbum veröffentlicht. Die Höhen schafft er immer noch, obwohl seiner Stimme durch Halleffekte zusätzlich Druck verliehen wurde. Die absoluten Signaturesongs wie "Victim Of Changes" ließen JUDAS PRIEST außen vor, Gelegenheiten zum Auszeichnen hatte er trotzdem.
Ähnlich wie Klaus Meine hat er Probleme mit dem hellen Bühnenlicht und musste oft zur Sonnenbrille greifen, seine Bewegungen waren eher gemächlich, dennoch war sein Auftreten von solcher Größe. Oft mit Blick gen Himmel und erhobenen Zeigefinger, dann wieder anfeuernd sein Mikrofon hebend, streifte er über die Bühne. Den Draht zu seinen Anhängern pflegte er ebenso, immer wieder deutete er auf ein Gesicht, dass einem Zuschauer gehörte, der gerade in Action war.
Ihm war eher der Spaß anzusehen, das frühere aggressive Gehabe ist lange vorbei. Refrains musste er nur einen Takt ansingen, den Rest erledigte das SwedenRock. Die Gönnerlaune erreichte bei seinem „Shout, Oh Yeah“-Singalongspielchen den Höhepunkt, als er mit einigen Silbenfolgen die Menge vor eine unlösbare Aufgabe stellte. Freundlich fiel sein Lächeln danach aus, verbunden fühlte er sich erst Recht mit dem Publikum, das dem Meister einmal nicht folgen konnte.
In Sachen Lässigkeit war der Mann an den Kesseln nicht zu toppen, unfassbar wie Scott Travis seine brutalen Schläge setzte als würde er sich locker warm spielen. Ob krasse Breaks, DoubleBass-Geballer oder wuchtiger Beckenarbeit, punktgenau schob er die kantigen Saitenklänge noch mehr an. Ihm war es wie immer vorbehalten, den ultimativen Klassiker anzusagen, wo er ihn doch ohnehin mit seinem irren Solo einleitete. Nun ging endgültig alles steil, Fäuste und Haare flogen, das titelgebende Wort schallte weit auf das Meer hinaus.
Kleiner Wermutstropfen, dass dies recht früh erklang, warum die Show am Ende früher zu Ende ging und auch damit auch kürzer war als die sonstigen Gigs war nicht zu klären. Im Prinzip war die Setlist eine Mischung der beiden letzten Gastspiele. Gerade neben den unverzichtbaren Stücken gruben JUDAS PRIEST tief ihn ihrer Geschichte und hatten ein gegenüber vor zwei Jahren verändertes Set. Dass bei der Zugabe die Harley auf die Bühne fuhr, versteht sich von selbst, auch wenn Halford auch während des Songs gemütlich sitzen blieb. Und als es gegen Mitternacht ging, war das Auditorium eine einzige Party. "Friday Night in Sölvesborg, Sweden and the Priest is back"!
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Anna Karlsson
Setlist JUDAS PRIEST:
Panic Attack
You´ve Got Another Thing Coming
Rapid Fire
Breaking The Law
Lightning Strikes
Devil´s Child
Riding On The Wind
Sinner
Turbo Lover
Invincible Shield
The Green Manalishi (With The Two-Pronged Crown)
Painkiller
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The Hellion/Electric Eye
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Hell Bent For Leather
Living After Midnight
DIMMU BORGIR (Rock Stage)
Wenn nach den Hohepriestern noch etwas kommen darf bei diesem Festival, dann muss es schon der Hölle entstiegen sein. Wie vor neun Jahren BEHEMOTH, so waren es mit den Osloern wieder Schwarzheimer, welche den Abend beschließen durften. Für das Genre sicher eine Bereicherung nach dem hohen Slot von SATYRICON gestern, dass sich zwei alten Größen zurück meldeten. In der Tat sahen die Bühnenaufbauten aus wie direkt von den Untiefen des Bösen importiert, das Tor öffnete sich weit vor dem riesigen erweiterten Cover von „For All Tid“.
Für die Altfans ging es auch bestens los, der Hit von jenem Dreher trat den Reigen los, gefolgt von einer Auszug aus dem Durchbruchsalbum, dem einzigen, von dem an dem Abend zwei dargeboten wurden, ansonsten von jedem anderen je einer. Die sinistren Synths von Gerlioz perlten auf die Hörner herab, die sich aus der Menge in den paar Stunden Dunkel erhoben. Klanglich eiskalt serviert wie ein Aquavit vom anderen Ufer der Ostsee krachte das wunderbar in die Nacht, zumal beim folgenden Stück die Tasten wieder präsent waren.
Ihren zuständigen Livemusiker hatten DIMMU BORGIR etwas hinter den Ruinen versteckt, nicht jedoch im Klanggewand, das druckvoll und sauber von der zweitgrößten Bühne hämmerte. Später kamen weitere Elemente dazu wie große Chöre oder die Ethnoelemente der letzten Scheibe „Eonian“. Dazu hämmerten gleich mehrere Musiker auf ein schnell hervor geholtes Kit, bevor die Riffs die Stammestrommeln ablösten.
Diese kamen von den beiden Stammkräften Galder und Silenoz, die sich wie die gesamte Band anfangs in Kapuzenkutten hüllten. Doch auch als diese abgelegt waren, mimten die beiden Glatzköpfe eher den Kerry King und tauschten nur gemächlichen Schrittes die Flanken. Dafür war das Zusammenspiel gestochen scharf, das Sirren schwirrte durch die Luft und thrashige Riffs der „In Sorte Diaboli“-Ära hatten eine enorme Wucht.
Das andere Urgestein Shagrath war da schon aktiver, hielt sich oft headbangend am Mirkoständer fest und nutzte den Auslauf der Rock Stage. Victor Brandt oft an seiner Seite, der mit seinem Bass das Pensum für die beiden Sechssaiter mit abspulte, dazu permanent mit geschütteltem Haupthaar. Das Krächzen des Sängers erschütterte einen in Mark und Bein und zeigte im Gegensatz zum Vortag eine Formation, welche ihre Wurzeln pflegte.
Trotz vorgerückter Stunde feierte die Norje Bucht die Helden ab und warf vielerorts den Haarrotor an. Da verzieh man gerne, dass manch opulente Passage vom Band kam, denn der Metalanteil nahm alle mit. Am Ende dann der Black Metal-Klassiker schlechthin, der den Wahnsinn schlicht offen legte. Die Melodien wogten über die Köpfe hinweg, wer noch eine Stimme hatte skandierte mit, ein würdiges Inferno zum Finale.
Setlist DIMMU BORGIR:
Rabjörn Speiler Draugheimens Skodde
Spellbound (By The Devil)
The Insight And The Katharsis
Dödsferd
The Chosen Legacy
Council Of Wolves And Snakes
Dimmu Borgir
Blessing Upon The Throne Of Tyranny
Progenies Of The Great Apocalypse
Mourning Palace