SWEDENROCK - Sölvesborg - Samstag, 08.06.2024

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Samstag, 08.06.2024

RIVERSIDE (Blåkläder Stage)
Nun war es an der Zeit, die erste Band, welche der Redakteur in fünf verschiedenen Ländern live sehen durfte. Nach Holland, Deutschland, Luxemburg und der Schweiz nun also Schweden. Prog ist dort nicht unbedingt so populär, weswegen der Vierer mittags auf der zweitkleinsten Bühne ran musste. Dass der eher Außenseiter war stellte Sänger Mariusz Duda fest, da er weder schreit noch das F-Wort benutzt. Überhaupt ist Selbstironie etwas, dass sich in den letzten Jahren bei ihm breit gemacht hat, in dem eher ernsten Genre ist das ebenso ungewöhnlich.

Aufgrund der Tatsachen hatten es die Polen nicht sehr leicht an dem Tag. Anfangs standen wenig Leute vor der Absperrung, als sie mit einem Song vom letzten Album mit ihrem tragisch verstorbenen früheren Gitarristen Pjotr Grudzinski begannen. Dessen Nachfolger hat nicht ganz seinen Ton, agiert erdiger und ein wenig bluesiger, brachte an dem Tag die Riffs knackig rüber und ließ es bei den Leads nicht an Feeling mangeln. Mit seiner Matte konnte er etwas seinem metallischen Hintergrund frönen, und bewegte sich auf seiner Seite verhältnismäßig viel.

Witzigerweise war Michal Lapaj an seinen Tasten auch viel in Bewegung, die Freude an dem Auftritt schien er mit seinem Techniker teilen zu wollen, zu welchem er öfter hinter die Kulissen eilte. An seinen Arbeitsgeräten ließ er die Finger noch aktiver wandern, wechselte immer den Winkel, wodurch er entweder mit seinen Kollegen oder dem Publikum Kontakt halten konnte. Wie er die Töne seinen Synthesizern und der Orgel entlockte, wie er mit allen möglichen Hebeln und Knöpfen arbeitete, war schon sehr ansehnlich, gut dass er soweit vorne positioniert war.

Rhythmisch fein akzentuierte Pjotr Kodzieradski die filigranen Arrangements, setzte exakte Kontrapunkte zu den proggigen Riffs, konnte sich aber auch genial zurück nehmen. Wie der bullige Schlagwerker es versteht die Becken nur zu streicheln ist immer wieder großes Kino. Zudem agierte er perfekt mit dem guten Mariusz, dessen Bass viel Führungsarbeit übernahm. Als Frontmann gereift konnte er sich nicht hinter Lichtinstallationen verstecken, RIVERSIDE setzten rein auf die Kraft ihrer ausgefeilten und gefühlvollen Kompositionen.

Jene stammten vornehmlich vom aktuellen Werk „ID.Entity“ sowie „Anno Domini High Definition“, selbst das letzte Album fand nicht statt. Ein wenig Abwechslung hin zum Frühwerk der „Reality Dream“-Trilogie wäre wünschenswert gewesen, doch RIVERSIDE verstanden jede Nummer mit wunderbaren Emotionen zu füllen. Diese schwappten weit über den Bühnenrand hinaus und berührten die Zuschauer, so dass jeder, der vorbei kam stehen blieb und dem musikalisch herausragenden Beitrag lauschte.

Was die Vier freudig zur Kenntnis nahmen, zumal der Sänger bei den Ansagen die richtigen Worte zwischen Mahnung und Entertainment fand. So gelang auch mit vielen Anwesenden, welche die Band zum ersten Mal gehört hatten der Singalong zu den Instrumentalharmonien, die erst nach etwa fünf Minuten im Song kamen. Von nun an spielten sich die Herren in einen einnehmenden Rausch, der alles in ihren Bann zog und mit viel Applaus bedacht wurde. Am Ende konnte das als zu poppig kritisierte Stück sogar noch mehr aus der Menge rauskitzeln, Gänsehaut inklusive.

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Setlist RIVERSIDE:
#Addiction
O2 Panic Room
Landmine Blast
Big Tech Brother
Left Out
Egoist Hedonist
Friend Or Foe

ZEAL & ARDOR (Sweden Stage)
Von den einen Innovatoren zu den nächsten, wobei die Schweizer sicher nicht dem Prog zuzurechnen sind, aber ist Avantgarde nicht die Steigerung zu Prog. Bisher war mir das Projekt nur vom Namen bekannt, aber die einzigartige Mischung erregte das Interesse des Verfassers. Wobei die mittlerweile sehr enge Bindung im Bandgefüge schon auffiel, was den Auftritt sehr konsistent machte. Hier agierte nicht nur ein Mann mit Gefolge, schon alleine weil er sich die Vocals mit gleich zwei weiteren Sängern, Denis Wagner und Marc Obrist teilte.
Optisch waren sie gar nicht so weit weg vom Black Metal, wie die dunkle Burg am Vorabend hatten alle die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Gitarrist Tiziano Volante übte sich im bösen Blick, wie er in dem Genre häufig zu finden ist, doch auch schon beim Auftreten zeigte sich die Attitüde der anderen musikalischen Seite. Wie sich Lukas Kurmann über sein Langholz legte, hatte eher etwas von einem Jazzer, er hüpfte gar in gebückter Haltung. Sonst waren seine Bewegungen eher in der Dance-Szene zuhause, außer wenn er mit dem Sechssaiter poste.

Was sich da aber musikalisch abspielte riss einen vom ersten Ton an in den Bann der Klänge. Beim Opener „Wake Of A Nation“ skandierten die drei Vokalisten noch klar im Kanon, wobei die elektronischen Effekte vom Band gekommen sein dürften. Doch schon „Götterdämmerung“ und vor allem „Blood In The River“ vom Debüt ließen Dinge aufeinander prallen, die weit davon entfernt waren jemals zusammen stoßen zu können.
Da gab es Gospelartige Töne wie etwa bei „Feed The Machine“, bis urplötzlich der Furor loslegte und alles einebnete, die Köpfe auf und vor der Bühne wild umher flogen, gefolgt von Matten dazu. Mit einer Schroffheit wie vielleicht noch bei INTO ETERNITY wechselten sich die Stile ab und fanden am Ende doch zueinander. Manuel Gagneux rappte teilweise in sehr bedächtigem Tempo und rang dem Genre ein paar interessante Facetten ab.
Wobei man natürlich weiß, dass der Mann weit weg ist von dem Weg, welchen diese Musik in den letzten Jahren ging. Wie dann immer die Riffsalven reinbrechen, zu denen die Saitenfraktion völlig steil geht, teilweise Pirouetten dreht im wahnwitzigen Mosh ist überwältigend. Der Beginn von „Erase“ hätte so auch von MICHAEL KIWANUKA stammen können, aber man wusste dass es in der Gangart nicht weitergehen würde.

Dennoch war jeder Wechsel wieder auf´s Neue interessant, mal breites Geschredder zu weiterhin Klargesang in „Ship On Fire“, dann modern bei „Death To The Holy“ oder das schwarze Getöse von „Tuskegee“. Aber alles mit einer klaren Handschrift und sehr tight und spielfreudig dargeboten, kamen auch Musikgourmets auf ihre Kosten. Dabei stets mit genug Fuß auf dem Pedal, um ein richtiges Metalbrett loszutreten. Drummer Marco Von Allmen pendelte ebenfalls mühelos zwischen fein lockerem Groove und Geballer.
Das Wechselbad der Gefühle riss komplett mit und ließ einen nie zum Atmen kommen, Sölvesborg ging richtig steil dazu. Zwar stand das selbstbetitelte zweite Album etwas im Vordergrund, doch wurde von jeder Veröffentlichung etwas gespielt und ein paar Vorgeschmäcker vom kommenden Langeisen „Greif“ präsentiert. So groß die Band auch gefeiert wird derzeit, Rockstargehabe war ihr völlig fremd. Am Ende fragte Gagneux brav, ob es gefallen hat, um für diejenigen, denen es nicht gefallen hat ironisch nachzuschicken, dass sie STEEL PANTHER wären, Humor haben sie auch.

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THE DARKNESS (Festival Stage)
Hair Metal und ähnliche Spielarten sind in der Norje Bucht immer gerne gesehen, und die Briten revitalisierten das Genre zu einer Zeit, als es komplett am Boden schien. Da strahlte die Sonne mit dem Backdrop um die Wette, welches einen irgendwo in Kalifornien wähnen ließ, aber nicht in Nordeuropa. So bunt mit viel Pink im Hintergrund die Aufmachung, so auch das Outfit der Musiker, der neongelbe Anzug von Sänger Justin Hawkins brannte im Auge.
Ganz zu schweigen vom verboten scharf aussehenden Pornobalken des Bassisten Frankie Poullain inklusive Lockenpracht. Bei den bunten Vögeln würde selbst ein Brusthaartoupet nicht wundern, auf NESTOR am Vortag wurde locker einer drauf gelegt, aber wenn man nach STEEL PANTHER auf die Bühne muss, sollte man nicht zu blass ausschauen. Naja, das Genre spricht für sich lediglich Hawkins-Bruder Dan fiel mit THIN LIZZY-Shirt und Lederjacke aus dem Rahmen, oder blieb je nach Lesart drin.

Definitiv aus dem Rahmen fiel das Bühnengebahren, normales Klatschen als Animation schien dem Frontmann zu wenig oder zu gewöhnlich. So machte er einen Handstand und klatschte mit den Füßem, an Akrobatik mangelte es auch sonst nicht. Tausend Wege vom Drumriser runter zu springen wäre eine gute Überschrift für die Show, mal mit, mal ohne Axt. Als Cal Cramer von THE SOUTHERN RIVER BAND, mit denen die Briten öfter touren, als Gast auf die Bühne kam, wurde er in das muntere Spielchen integriert. Bei den Hymnen wie „Givin´ Up“ oder „Get Your Hands Off My Woman“, die vornehmlich vom Debüt stammten hatte das Quartett auch keine große Mühe die Menge in Bewegung zu setzen.

Musikalisch wussten dies ebenso zu überzeugen und brachten jene Songs sehr druckvoll rüber wobei die guten alten Les Paul ordentlich röhrten, selbst der Gastgitarrist griff zu dem Modell. Während Dan Hawkins eher stoisch den Rhythmus vorgab, hielt Justin alle Fäden in der Hand, selbst die Soli nahm er in die Hand, wobei sonst sein Spielgerät gerne hinter ihm runter baumelte. Ihren größten Hit spielte er immer wieder ein, um ihn dann mit einem Auszug vom unsterblichen „Immigrant Song“ einzuleiten.
Das Luftschiff hat zwar stilistisch keinen so großen Impact hinterlassen, aber in Sachen Überlebensgröße mag sich THE DARKNESS gerne an ihnen messen. Höher als Robert Plant kommt Hawkins sicher, es ist schon unglaublich, in welche Höhe sich der Mann schrauben kann, nicht nur bei „I Believe In A Thing Called Love“. Gelungenes Entertainment am Nachmittag, dass den Blues des letzten Tages fort wehte und in „Love On The Rocks With No Ice“ seinen Abschluss fand.

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BRUCE DICKINSON (Festival Stage)
Unter der größten Bühne macht es die Legende nicht, und mittlerweile hat er jetzt schon öfter sein Stelldichein in Sölvesborg gegeben. Erst im letzten Jahr mit seinen eisernen Jungfrauen, nun also mit dem ersten Soloalbum seit fast zwanzig Jahren im Gepäck. Man durfte gespannt, um es jedoch vorweg zu nehmen, es wurden nur Stücke seiner eigenen Alben gespielt. Entschädigen tat die Darbietung mehr als genug, denn die sehr weitläufige Bühne war gerade groß genug für sein Ensemble, dass mit Dickinson reist.
Gerade die beiden Gitarristen Philip Näslund undChris Declerq waren permanente Unruheherde und standen keine Minute still. Neben den gefressenen Kilometern verdienten sie sich auch mit ausgiebigen Posen, gerade bei den starken Soli noch Zusatzpunkte. Wer meinte der gute Bruce würde ein paar versierte Mucker auflaufen lassen, die seine Vorgaben stumpf umsetzen täuschte sich gewaltig. Der Spaß an der Sache war allen Beteiligten anzusehen, da wurde mit Überzeugung und Leidenschaft gerockt.

Noch auffälliger die großartige Tanya O´Callagahn, die ihre wilden Rastas schüttelte und die dicken Saiten kunstvoll drückte. Keine Unbekannte im Geschäft, welche schon mit Größen wie DEE SNIDER und WHITESNAKE gearbeitet hat und unheimlich versiert bei teils komplexen Material agierte. Da hielt es auch Giuseppe „Mistheria“ Iampieri nicht hinter seinen Tasten, weswegen er mit Cowboyhut und Keytar vorne mit rumhüpfte. Man sagt ja, dass nur Poser die Gitarre wechseln, er wechselte sogar die Keytar. Wuchtig fiel das Soundgewand auch aus, weil mit Dave Moreno jemand an den Kesseln saß, welcher deren Energie in nichts nachstand.

So musste sich „Air Raid Siren“ mächtig strecken, um neben den jungen Wilden zu bestehen, aber er ist ja der geborene Frontmann. Seine ausufernden Kompositionen versah er mit allerhand erhabenen Gesten, dazu war er noch weiter nach außen auf der Bühne unterwegs als seine Mitmusiker. Kein Wunder, dass ihm die Fans aus der Hand fraßen, selbst wenn das Material nicht das einfachste war, gerade ohne einen Beitrag vom zugänglichen Erstling „Tattooed Millionaire“. Neben neuen Liedern war es vor allem die Phase Ende der Neunziger, als er seine Wurzeln wieder fand, welche das Programm diktierte, darunter die Titeltracks der beiden Scheiben.
Mit „Faith“ gab es auch einen Beitrag vom umstrittenen SKUNKWORKS-Dreher. Außerordentlich gut bei Stimme erwies sich BRUCE DICKINSON obendrein, wusste mit seinem Umfang jede einzelne Note genau zu dosieren, und so die Inhalte sehr glaubwürdig und emotional zu transportieren. Selbst von Instrumenten konnte er die Hände nicht lassen und unterstützte seine Truppe bei den teilweise außergewöhnlichen Klängen am Theremin, bei dem er ebensolche Leidenschaft bewies. Obwohl die Lieder nicht ganz so bekannt waren, fanden sie viel Anklang beim Publikum, gerade weil sie von einer begeisternden Truppe eingezockt wurden, die zudem länger zusammen zu spielen schien als nur auf der Tour.

Zum ganz großen Epos wuchs „Tears Of The Dragon“ heran, Näslund pendelte zwischen zerbrechlicher Klampfe und den weiten Riffs des Refrains hin und her, bei dem der Sänger alles aufbot. In „Rain On The Graves“ fand er dagegen Unterstützung vom Hard Rock-Chor Stockholm, welche am letzten Tag ein paar Bühnen unsicher machten. Mit dem in schwarz-weiß gedrehten Filmchen konnte auch die Videoleinwand hier richtig Akzente setzen und die Atmosphäre perfekt mittragen. „Road To Hell“ beendete einen phantastischen Auftritt, der am Ende nichts vermissen ließ, da er vor Musikalität nur so strotzte.

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HAMMERFALL (Rock Stage)
Gefühlt bei jedem zweiten Besuch des SwedenRock konnte ich die Power Metal-Erneuerer live erleben, was sich beim Nachrechnen tatsächlich arithmetisch als korrekt heraus stellte. CANDLEMASS hatte ich viermal, SAXON und URIAH HEEP je drei, die Göteborger haben hier die Nase vorn. Wer den Fünfer kennt, weiß, dass hier der Stahl heiß geschmiedet wird, dank der von den Vortagen noch übrigen Feuersäulen wurde es richtig heiß, zumal noch die Sonne schien. Das machte Joacim Cans bei seinen Ansagen klar, in denen er keine Balladen versprach, sondern nur volles Rohr.

Das Versprechen hielt schon der Opener, der wie vieles von den neueren Scheiben stammte. Das zeigte wie relevant die Herren heute immer noch sind, auch wenn sie von manch Konkurrenten erfolgstechnisch überholt wurden. Wobei ich das ein oder andere Schmankerl vom Erstling doch vermisst habe. Nun ist das bei einer solchen Truppe wenig problematisch, weil sie die musikalischen Direktiven (fast) immer gehalten haben und wie angekündigt weiter in den Gewässern segeln. Da setzte man lieber auf Stücke vom noch unveröffentlichten „Avenge The Fallen“ und bekam den selben Applaus.

Zu einem kam sogar ein Chor aus Gewinnern eines Contests auf die Bühne, deren Beiträge für die kommende Veröffentlichung mitgeschnitten wurden. So rasant wie das Material gab sich auch die Formation, welche richtig Meter machte auf den Brettern. Oscar Dronjak warf sich in alle erdenklichen Posen, riss immer wieder seine Axt hoch und entledigte sich später seiner Rüstung. Ihm ist der Spaß einfach anzusehen, was er mit HAMMERFALL geschaffen hat, das Meer an geschüttelten Matten und gereckten Fäusten sichtlich genießend.

Während dieser es sich eher auf den Risern bequem machte zog es seinen Frontmann und langjährigen Partner Cans immer wieder nach vorne auf die Rampe, wo er gefeiert wurde. Hatte er früher etwas mit seiner Stimme zu kämpfen saß sie an dem Tag selbst in den hohen Lagen, dazu gewann er mit seinem freundlichen Gemüt alle Sympathien. Kein Wunder, dass nicht nur der Chor auf der Bühne, sondern auch davor mächtig Alarm machte.
Nach vorne begleitete ihn immer gerne Pontus Norgren, der dort seine Soli mit Leidenschaft darbieten durfte. Dafür überließ ihm der Sänger auch gerne mal den Platz alleine an der Front, den er auszufüllen wusste. Ab und an waren auch alle bis auf den hinten vehement antreibenden Drummer David Wallin dort unterwegs. Am Ende sorgten die Festivalhymne sowie der größte Hit für das umjubelte Finale einer der ehrlichsten Arbeiter im Heavy Metal.

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Setlist HAMMERFALL:
Brotherhood
Any Means Necessary
Heeding The Call
Hammer Of Dawn
Blood Bound
Renegade
Hammer High
Last Man Standing
Let The Hammer Fall
The End Justifies
One Against The World
(We Make) Sweden Rock
Hail To The King
Hearts On Fire

ALICE COOPER (Festival Stage)
Da war der Meister des Schock Rock eine andere Hausnummer, auch wenn sein Ensemble ebenfalls aus Arbeitstieren auf der Bühne bestand. Doch da war einfach mehr Glam – und Showfaktor, alleine die Posen der Saitenfraktion würden ein ganzes Lehrbuch füllen. Chuck Garric wippte sein Langholz hin und her, während er tief gekniet mit Rücklage eine unfassbare Lässigkeit versprühte.
Wo er nur lange Koteletten am Kopf hat, überboten sich die männlichen Sechssaiter mit ausgefallenen Hutmoden. Die breite Batschkapp von Ryan Roxie kennt man ja, aber im Verlauf der Show schien er den Federhut von Tommy Henriksen übertrumpfen zu wollen. Nicht nur hierbei hatten alle riesigen Spaß, sondern auch an den coolsten Gesten im Business.

Mittlerweile ist diese Backingband ein eingespieltes Team und durfte auch die letzte Scheibe ganz alleine mit erschaffen. So geschlossen traten sie auch auf und fuhren einen dichten Sound, der rockte und groovte ohne Unterlass. Bei so einem intakten Bandgefüge gönnt jeder dem anderen seine Soloparts, die ausgiebig genutzt wurden selbst von Schlagzeuger Glen Sobel, mehrmals war die Begleittruppe alleine auf der Bühne.
Am meisten bekam natürlich Nita Straus ab, die wie immer eng angezogen den ultimativen Blickfang stellte. Doch nicht nur ihre mitgebrachten optischen Reize, sondern vor allem ihre feurige Spielweise bescherten ihr Szeneapplaus. Ein Wirbelwind, die sich gemäß dessen Bewegungen öfter um die eigene Achse drehte, dabei ihr Arbeitsgerät mitkreisen ließ und dabei nie den Kontakt zu den Fans verlor.

Mit den Leuten im Rücken konnte sich der gute Alice natürlich gänzlich auf seine Show konzentrieren, die mit zwei Treppen eher spartanisch anmutete. Doch die Dinger entpuppten sich als bei genauerem Hinsehen als wichtige Showelemente. Oft tauchten durch geschicktes Spiel mit dem Licht die Musiker nach dem Umziehen dort oben wieder auf, ohne dass sie jemand bemerkt hätte. Da die Dinger noch fahrbar waren, konnte man auf deren Rückseite so allerhand aufbauen, dass sich beim Umdrehen als Kulisse eignete, sei es die Guillotine oder die Flaggen beim Klassiker, der die Fans jedes Mal auf´s Neue auffordert, Alice zu wählen.

Apropos der berühmteste Spoiler der Musikgeschichte, bei der obligatorischen Exekution lief endlich wieder der dafür am besten geeignete Titel. „Dead Babies“ hin, „Steven“ in allen Ehren, der ganz frühe ruhige Knaller kommt einfach am psychotischsten. Ansonsten fand sich in der Setlist wieder alles an Gassenhauern aus den Siebzigern wieder, was die originale ALICE COOPER-Band einst geschaffen hat.
Was überrascht, wie die Hair Metal-Phase immer präsenter wird im Programm. Stand dort einst nur der unverzichtbare Megahit, so finden sich mittlerweile sieben Stück aus der Ära auf der Speisekarte. Richtig appetitlich wurde es, als Cooper höchstselbst mit seinem liebsten Haustier um den Hals auf der Bühne spazieren ging. Die Phase nach dem ersten Soloalbum wurde ebenso ausgespart wie die letzten Jahre, selbst von „Road“ gab es nur eine Kostprobe.

Die Fans kamen voll auf ihre Kosten und holten aus ihren Stimmbändern raus, was noch rauszuholen war. Leider litten diese nicht nur unter den Strapazen der letzten Tage, sondern auch unter dem einsetzenden Regen, der zum Glück in Sachen Heftigkeit das Gelände noch verschonte. Der Atmosphäre tat dies indes keinen Abbruch, es hätte aber auch noch drei Stunden warten können. Auf der Bühne schien das ebenfalls niemand etwas auszumachen, die Formation überbot sich damit am weitesten vorne an der Rampe zu sein.

Mittendrin der Altmeister, welcher mit seiner Präsenz die Bühne alleine hätte füllen können. Die gesamten neunzig Minuten stolzierte er umher, fand oft den Weg zu neuen Requisiten, schwang seinen Stock und war außerordentlich gut bei Stimme. Eine ALICE COOPER-Konzert liefert einfach immer die Vollbedienung aus Showelementen, bei denen die Familie der Legende mitwirkte, und großartigen Hymnen. So baute man eine der größten der Geschichte in den ultimativen Rausschmeißer mit ein, was die Stimmbänder endgültig zerfetzte.

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Setlist ALICE COOPER:
Lock Me Up
Welcome To The Show
No More Mr. Nice Guy
I´m Eighteen
Under My Wheels
Bed Of Nails
Billion Dollar Babies
Snakebite
Be My Lover
Lost In America
Hey Stoopid
-Drumsolo-
Welcome To My Nightmare
Cold Ethyl
He´s Back (The Man Behind The Mask)
Poison
Feed My Frankenstein
-Guitarsolo-
Black Widow
The Ballad Of Dwight Fry
Killer
I Love The Dead
Elected
School´s Out/Another Brick In The Wall

AVANTASIA (Rock Stage)
Da jetzt noch einen drauf zu legen und den Schlusspunkt zu setzen, war fast unmöglich. Tobias Sammet hat zumindest das Selbstvertauen, sich dieser Aufgabe anzunehmen. Dabei dürfte die Logistik für den Gig schon einiges erfordert haben. Für eine Handvoll Konzerte flog er einige internationale Stars ein, die alle ihre Termine koordinieren müssen. Es ist erstaunlich was aus dem einstigen Nebenprojekt erwachsen ist, wenn der EDGUY-Sänger ruft kommen sie alle, auch die Zuschauer. In dem Fall harrten sie beim nun immer heftiger werdenden Regen eisern aus, was dem guten Tobi bestens gefiel.

Natürlich überzog er etwas mit den Lobhudeleien, zwischen jedem Song der Sermon, ebenso das Bekunden der Liebe zu Schweden, das seine Karriere angeschoben hätte. Humor bewies er auch, indem er den Zuschauern erklärte, dass der Niederschlag gegenüber Deutschland noch harmlos sei, geändert hat sich daran bislang herzlich wenig. Abgesehen davon waren seine Entertainerqualitäten wie gewohnt sehr hoch, er schien um jeden einzelnen Zuschauer zu buhlen und war um große Gesten ebenso nie verlegen. Stimmlich hatte er ebenso klar die Führung, trotz der vielen Meter bei der Witterung kam das sehr kraftvoll.

Nach dem Intro mit „Spectres“ eröffnete „Reach Out For The Light“ den Reigen, bei dem SEVEN SPIRES-Chanteuse Adrienne Cowan gut mit Sammet harmonierte. Sie war ebenso im Background zu finden wie Chiara Tricarico, die bisher noch nicht so groß in Erscheinung getreten ist und „Farewell“, den zweiten Auszug vom Debüt veredelte. Dazwischen der erste von zwei Auftritten der PRETTY MAIDS-Röhre Ronnie Atkins, dem seine Krankheitsgeschichte keineswegs anzusehen war, wobei bei „Let The Storm Descend Upon You“ noch Geoff Tate und Backgroundsänger Herbie Langhans mit an Bord waren.

Gerade der Auftritt von Tate bei „Alchemy“ war herrlich exzentrisch, mit getönter Brille und sehr weitkrempigen Hut sah der frühere QUEENSRYCHE-Mann aus wie die Hipster-Variante von J.R. Ewing. Dazu konnte er jeden einzelnen Ton so genial phrasieren, dass einem die Nackenhaare standen. Von den einheimischen Anhängern frenetisch gefeiert stand da Tommy Karevik von KAMELOT im düsteren „Dying For An Angel“ wenig nach.
Doch einer überschattete sie alle, bereits als seine Stimme in „The Story Ain´t Over“ zu hören war und er noch tief hinten auf der Bühne stand überzog einen ein warmer Schauer. Zum Glück kann die Stimme und diese opulente Gestik von Bob Catley bei AVANTASIA weiterleben. Als er vorne auf dem Steg beim guten Tobi angelangt war, hatten viele Tränen in den Augen. Fast schade, dass diese Formation mittlerweile so viel eigenes Material hat, ein Cover zu Ehren des großen Tony Clarkin wäre genial gewesen.

Bei Finale mit dem Medley „Sign Of The Cross/The Seven Angels“ standen dann alle auf der Bühne und mischten sich auch unter die gut aufgelegten Musiker. Sascha Paeth und Arne Wiegand hielten sich zwar konsequent auf ihren Positionen, die Spielfreude war ihnen dennoch anzusehen. Speziell der ehemalige HEAVEN´S GATE-Chef hatte links mit Bassist Dirk Schlächter viel zu lachen. Gemeinsam mit EDGUY-Kumpel Felix Bohnke an den Kesseln und Tastenmann MiRo webten sie einen dichten Sound, der so wuchtig war wie das Bühnenbild. Definitiv ein Ende des SwedenRock 2024, an das man sich erinnern wird.

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